Was ist Stress und warum Yoga hilft
Wir alle haben ihn und keiner mag es laut aussprechen: Stress. Die meisten von uns sogar dauerhaft und schon chronisch.
Stress ist individuell. Jeder einzelne Mensch empfindet Stress anders und auch die Grenze, ab wann etwas als Stress wahrgenommen wird ist für jeden Menschen anders. Deswegen ist es manchmal auch schwierig, Stress für sich zu bestimmen, denn es gibt keine klare Checkliste, die wir abhaken können und dann als Ergebnis sehen: das ist Stress, den wir als belastend empfinden. Und es macht es auch oftmals so schwierig, dem Gegenüber wertschätzend zu begegnen, wenn wir seine Situation selbst noch nicht als stressig empfinden.
Steinzeitliche Reaktionen
Stress per se hat durchaus einen Sinn: Bei unseren steinzeitlichen Vorfahren dienten Stressreaktionen dazu, das Überleben zu sichern. Trat eine Gefahr auf, schlug das Herz schneller, der Atem beschleunigte sich, die Muskeln spannten sich an und die Pupillen weiteten sich. Der Körper wurde in Alarmbereitschaft versetzt und war im wahrsten Sinne des Wortes „sprung- und fluchtbereit". Gleichzeitig wurden die Aktivitäten in den Verdauungs- und Geschlechtsorganen verlangsamt, ihnen wurde die Priorisierung entzogen. Das präziser arbeitende, aber leider auch wesentlich langsamere Großhirn wurde ausgeschaltet und alle Reaktionen erfolgten instinktiv und dadurch schneller. Durch Stress werden wir also kurzfristig körperlich leistungsbereiter.
Die körperlichen Reaktionen auf Stress sind seit damals unverändert und wir reagieren auch heute noch genauso wie beschrieben. Allerdings werden die Stressreaktionen in unserer Gesellschaft weniger durch Hunger, Kälte, Angriffe von Tieren oder Schwerstarbeit ausgelöst, sondern vielmehr durch eine ständige Reizüberflutung, Zeit- und Leistungsdruck, Konflikte und Schicksalsschläge und der persönlichen Erwartungshaltung an sich selbst. Ausgelöst wird Stress durch sogenannte Stressoren, also Reize. Diese können innerlich oder äußerlich sein.
Wir empfinden Stress als negativ, weil wir Zeitdruck haben, unseren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden oder der Chef brüllt usw. Wenn die Reize nicht mehr bewältigt werden können und es dem Menschen zu viel wird erfolgt eine wirklich steinzeitliche Reaktion: „Fight-or-Flight“.
Körperlich passiert folgendes: der Reiz erfolgt, wobei es keine Rolle spielt, ob es ein brüllender Chef oder eine Horde Mammuts ist. Unser Körper schüttet sofort Hormone aus, die uns in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen, wir gehen in den Überlebensmodus: das Herz schlägt schneller, der Atem geht flacher, die Muskeln spannen sich an.
Gleichzeitig werden die Funktionen der Verdauungs- und Geschlechtsorgane langsamer, der Körper entzieht ihnen kurzfristig Energie. Die Verarbeitung von Nahrung im Verdauungstrakt wäre in dieser Situation nur hinderlich, also wird das System in den Sparmodus geschaltet. Die Energie wird für den Fight-or Flightmodus benötigt und verwendet.
Der alltägliche Druck
Nun stresst uns heutzutage weniger die Horde Mammuts, die sporadisch aufgetaucht ist und wenn sie weg war, konnten der Steinzeitmensch auch wieder entspannen und den Stress abbauen, sondern wir sind in einer Art Dauerstress durch Reizüberflutung, Zeit- und Leistungsdruck, und dem modernen Leben und Alltag. Dieser Dauerstress führt auch dazu, dass wir die bereits beschriebenen körperlichen Symptome permanent haben.
Die Folge ist, dass wir Stress bzw. Stresshormone nicht mehr im ausreichenden Maße abbauen können und sie sich im Körper ansammeln und aufbauen.
Das „Ziel“ von Yoga
Seit rund 2000 Jahren gibt es Yoga. Es hat sich verändert und weiterentwickelt, aber der Kern ist immer noch wie zu Beginn: Die Verbindung von Seele, Körper und Geist zu einer harmonischen Einheit. Dabei ist der Yogastil nicht relevant, das Ziel gilt für alle gleichermaßen.
Mittlerweile hat sich vermehrt die Wissenschaft und Medizin mit den positiven Aspekten von Yoga auseinandergesetzt und auch wenn die Studien oft noch kontrovers sind, sind sich doch alle einig: Yoga wirkt sich positiv auf den Menschen aus. Sowohl geistig als auch körperlich.
Durch die Verbindung von Atem, Meditation und Asanas geht es weit über eine „normale Fitnessstunde“ hinaus und die gesundheitlichen und Aspekte sind groß und vielschichtig.
Denn was passiert, wenn die Harmonie von Körper und Geist grundlegend gestört ist? Unser Gehirn läuft ständig unter Hochdruck, unser Nervensystem kann kaum noch abschalten. In unserem hektischen Alltag sind wir immer beschäftigt, es gibt laufend mehrere Dinge gleichzeitig zu bedenken, die wir erledigen wollen oder um die wir uns kümmern müssen. Wir sind ständig erreichbar und schalten dank des Smartphones auch nicht mehr ab. Hinterfragen wir uns selbst oder fragen interessiert bei Freunden und Kollegen, kommt in den meisten Fällen die Antwort, man hätte zwar Stress, aber so schlimm wäre es auch nicht. Und die Rückenschmerzen kommen von dem langen Tag am Schreibtisch und die Magenschmerzen, weil man etwas Falsches gegessen hat.
Wir sind gestresst, wir fühlen uns gestresst, wir machen uns Stress, nur zugeben möchte es eigentlich niemand. Stress ist eines der zentralen Themen unsere Zeit und des modernen Lebensstils geworden. Die durchgehende hohe Belastung quasi eine Art Statussymbol.
Yoga gegen den Stress
Der Zusammenhang von Yoga und Stressreduzierung ist den meisten Menschen bekannt. Nicht umsonst bezahlen viel gesetzliche Krankenkassen ihren Mitgliedern Yogakurse zum Stressabbau. Yoga als Entspannungstechnik ist allgemein anerkannt und in aller Munde.
Achtsamkeit ist ein wirkungsvoller Faktor gegen Stress und hilft, das Leben bewusster zu leben. Geben wir uns öfter die Möglichkeit in die Achtsamkeit zu kommen, können wir Momente mehr genießen, entspannen und den Alltag gelassener bewältigen.
Man ist zentrierter, ausgeglichener und mehr bei sich und den Bedürfnissen des Körpers.
Es fällt leichter, sich auf Dinge zu konzentrieren, ohne sich ablenken zu lassen. Das gilt im berufliche wie im privaten Umfeld. Eine bewusste Atemübung zwischendurch lässt uns entspannter durch den Tag kommen. Man wird sich wieder mehr im Klaren darüber, was man tut und warum bzw. werden Gewohnheiten hinterfragt.
Bei regelmäßiger Yoga- und Pranayama-Praxis schüttet das Gehirn den Botenstoff Gamma-Aminobuttersäure (GABA) auss. GABA dämpft die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn und senkt, zusammen mit der Muskelentspannung, Angst- und Panikgefühle. Gleichzeitig nimmt die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin ab. Einen ähnlichen Effekt haben Benzodiazepine, die in Beruhigungsmitteln enthalten sind. Yoga kann also den Körper dabei unterstützen, sein eigenes, ganz natürliches Beruhigungsmittel zu produzieren.
Yoga wirkt darüber hinaus stimulierend auf den Parasympathikus, also jenen Teil des vegetativen Nervensystems, der für Beruhigung, Verlangsamung und Verdauung zuständig ist. Sein Gegenspieler ist der Sympathikus, der für Anregung und Beschleunigung zuständig ist und durch mehr Aktivität des Parasympathikus runter reguliert wird. Bei Menschen mit chronischem Stress und Angstzuständen ist das Gleichgewicht dieser beiden aus den Fugen geraten. Yoga hilft dabei, das natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen.
Wichtig zu erwähnen ist wohl noch, dass es nicht den einen richtigen Yoga-Stil gegen Stress gibt. Um körperlich tätig zu werden und aktiv die Stresshormone zu reduzieren, braucht es manchmal eine dynamische Flow-Einheit. Dagegen kann es für manch anderen viel hilfreicher sein, sofort zur Ruhe zu kommen im Yin Yoga oder beim Yoga Nidra.
Ein ausgeglichener Alltag
Das hat Auswirkungen auf den Alltag, auch beim Essen. Essen, also der Nahrung, den Nahrungsmitteln aber auch dem eigenen Essverhalten mehr Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu schenken wird im Alltag meisten leider oft vergessen oder unterschätzt.
Yoga schafft die Verbindung von Geist und Körper. Durch Yoga nehmen wir Einfluss auf den Vagusnerv und aktivieren ihn. Das Stresslevel wird gesenkt und wir fühlen uns ruhiger und mehr bei uns angekommen. Die Stresshormone im Körper können abgebaut oder zumindest deutlich reduziert werden.
Eine regelmäßige Yogapraxis verändert die Sicht auf die Dinge: der Schwerpunkt der eigenen Aufmerksamkeit geht weg von außen hin zu innen.
Sie führt auch dazu, dass Gewohnheiten hinterfragen und vielleicht verändert werden. So können Muster, die wir in uns tragen langsam aufgelöst werden und wir können Stresssituationen reduzieren.